08.05.2020

Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg.

Am 8. Mai 1945 – vor 75 Jahren – war nahezu ganz Europa von Faschismus und Krieg befreit. In Deutschland empfanden vor allem die Überlebenden der Konzentrationslager und Zuchthäuser und ihre Angehörigen, die befreiten Zwangsarbeiter*innen den 8. Mai als den lang ersehnten Tag der Befreiung. Aber auch alle, die heute leben, verdanken die Chance eines Lebens in Frieden, Freiheit und Vielfalt den alliierten Streitkräften. Die Rote Armee und die sowjetische Bevölkerung hatten die allergrößte Last des Krieges zu tragen. Mehr als 55 Millionen Menschen fielen Naziterror, Holocaust und Vernichtungskrieg zum Opfer.

Der 8.Mai ist auch ein guter Tag, um auch an den mutigen Widerstand gegen die Nazi-Diktatur zu erinnern. Dieser Widerstand wurde – wie an vielen Orten – auch in Barmstedt vor allem getragen von jungen Arbeitern, Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern. Die im Verhältnis zur damaligen Größe Barmstedts (rd. 4.000 EW) hohe Anzahl von Verhaftungen von Antifaschisten deutet die Stärke dieses Widerstands noch nach der Machtübernahme der Nazis an. Eine Auswahl (in: Gerhard Hoch: Vergangenheitsbewältigung in Barmstedt; Jahrbuch für den Kreis Pinneberg 1993):

Am 20.6.1933 holten SA und SS nachts mehrere Barmstedter Nazi-Gegner aus den Betten, zwangen sie in den Wald, legten Stricke um ihren Hals und feuerten Schüsse ab und vollzogen so „Scheinhinrichtungen“

Am 4.7.1933 verteilten Barmstedter Antifaschisten Flugblätter gegen die Nazi-Diktatur und wurden dabei verhaftet und zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt, so u. a. Theo Decker, damals 19 Jahre alt, zu eineinhalb Jahren.

Im Juli 1934 wurden erneut sieben Barmstedter wegen verschiedener Widerstandshandlungen verhaftet: Johann Möller (Schmied), Heinrich Neben (Maler), Hans Sahlmann (Maurer), August Paetzel (Arbeiter), Willi Möller (Schuhmacher), Erich Rüssau (Maler) und Robert Decker (Maurerlehrling). Johann Möller wurde 1.5 Jahre ins Gefängnis gesperrt und Heinrich Neben in das Konzentrationslager Esterwegen.

Am 19.12.1934 folgte die nächste Verhaftungswelle im Kreis Pinneberg, bei der 11 Barmstedter Antifaschisten verhaftet wurden. Sie saßen bis April 1935 in der Strafanstalt Fuhlsbüttel in Einzelhaft und kamen dann ins KZ Esterwegen. Die Barmstedter, die sich für ihren Widerstand in unserer Stadt verdient gemacht haben, waren: W. Starkjohann, Ernst Kunde, Hans Sahlmann, J. Strecker, Hans Decker, L. Zeise, H. Kernberger, H. Weiß, J. Schinkel, Erich Rüssau und Emil Schnell.

Als am 8.Mai 1945 der Krieg vorbei war, wurden auch in Barmstedt antifaschistisch-demokratische gesonnene Menschen gesucht, die sich um die Linderung der Not und den Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens kümmerten. So wurde der Sozialdemokrat Karl Mohr im Jahre 1945 der erste Bürgermeister Barmstedts. Damals war der Bürgermeister, etwa vergleichbar dem heutigen Bürgervorsteher, der Vorsitzende des Stadtparlaments. Karl Mohr gehörte zum damaligen Kreis Barmstedter Antifaschisten. Als Anfang Juli 1934 auf dem Marktplatz die Schlussveranstaltung des Kinderfestes stattfand, wurde Karl Mohr zusammen mit zwei weiteren Barmstedtern (Wilhelm Hermsmeier, Franz Winterberg) verhaftet und in „Schutzhaft“ genommen, weil sie sich geweigert hatten beim Absingen der üblichen Nazi-Lieder den Arm zum Hitler-Gruß zu erheben und die Kopfbedeckung abzunehmen. Zusätzlich zertrümmerten die Nazis die Fensterscheiben der Wohnung von Karl Mohr in der Reichenstrasse. Nachfolger Karl Mohrs als Bürgermeister wurde 1946 der Kommunist Johannes Pytereck, Karl Mohr wurde dann 1946 der erste Barmstedter Stadtdirektor, der wie heute die Bürgermeisterin die Verwaltung leitete.

In Erinnerung an diejenigen, die in Barmstedt nicht die Nazi-Barbarei unterstützten, und in Erinnerung an diejenigen, die unter schwersten Bedingungen das Leben und ein demokratisches Gemeinwesen in Barmstedt vor 75 Jahren wieder in Gang brachten, schlägt die BALL die Benennung der Straße im Neubaugebiet an der  Gr. Gärtnerstraße (ehemalige Baumschule) in Karl-Mohr-Allee vor.

Ball-Fraktionsvorsitzender

Günter Thiel