3 Mio €  Defizit und demnächst Überschuldung

8.2.2022

Der Haushaltsplan 2022 für die Stadt Barmstedt geht von einem Defizit im Ergebnishaushalt (Einnahmen minus Ausgaben) von rd. 3 Mio € aus. Die Stadt wird bis Ende 2022, spätestens jedoch 2023 ihr bescheidenes Eigenkapital aufgebraucht haben und in die Überschuldung rutschen. Es gibt gegenwärtig keine Aussicht durch entsprechende Überschüsse in den nächsten Jahren dies aus eigener Kraft zu verhindern.

In Barmstedt werden die höchsten Steuersätze genommen, im Haushalt wird jeder Cent umgedreht, die Personalausstattung bei der Stadt ist normal, für wichtige Aufgaben steht nichts oder wenig im Haushalt – und dennoch beträgt das Defizit rd. 3 Mio. €. Seit langem kennen wir die wesentliche Ursache: Bund und Land übertragen den Gemeinden viele Aufgaben, aber sie geben den Gemeinden nicht die dafür erforderlichen Steueranteile.Ein Beispiel:Die Stadtvertretung hat – bei maßgeblicher Mitwirkung der BALL – einen neuen Kindergarten gebaut und neue Kita- und Krippenplätze geschaffen. Das Land hat gewisse Verbesserungen, so die Senkung der immer noch viel zu hohen Elternbeiträge beschlossen, aber die Gemeinden auf den deutlich höheren Folgekosten hängen lassen. Innerhalb weniger Jahre hat sich so der Zuschussanteil für unsere Stadt auf rd. 3 Mio. € jährlich verdoppelt.

In vielen Kommunen ist die Finanznot groß. Deshalb bleiben die wesentlichen Forderungen im Raum – auch im Hinblick auf die Landtagswahl in diesem Jahr:

  • Die Stadt Barmstedt benötigt eine jährliche verbesserte Finanzausstattung von 4-5 Mio. € durch höhere Steueranteile und Zuweisungen. Im Grundgesetz und in der Gemeindeordnung ist das Recht auf Selbstverwaltung verankert. Ohne hinreichende Finanzausstattung wird dieses Recht darauf reduziert Schulden zu verwalten, zu kürzen oder die BürgerInnen zur Kasse zu bitten. Das macht die BALL nicht mit.
  • Finanzschwache Kommunen brauchen einen Schuldenschnitt. Dadurch würde Barmstedt perspektivisch jährlich mit rd. 3 Mio. an Tilgung und Zinsen entlastet.
  • Die Kommunen müssen von allen Folgekosten für Gesetze und Beschlüsse von Bund und Land entlastet werden.

Die jüngste Gemeindefinanzreform der CDU-geführten Jamaikakoalition hat für Barmstedt zu keiner erkennbaren Verbesserung geführt.

Die Finanznot der Gemeinden kann überwunden werden. Der Finanzcrash vor einigen Jahren und noch mehr die Corona-Krise zeigten, wie in Kürze Hunderte von Milliarden mobilisiert wurden, von denen viele bei Konzernen landeten, die hohe Gewinne machten. Viel Geld auch für die Gemeinden ist hier zu holen:

Dem Staat gehen Milliarden durch Steuerflucht und Steuervergünstigungen für große Konzerne verloren. Lockdown-Gewinner wie amazon und die IT-Multis zahlen nahezu keine Steuern, die Bundesrepublik ist ein guter Standort für das organisierte Verbrechen und Wirtschaftskriminalität. Die Besteuerung von riesigen Vermögen und Millioneneinkommen ist viel zu gering.                  

Aber das Schlimmste gegenwärtig ist, dass die Bundesregierungen dem von der US-Regierung ausgeübten Druck nachgegeben haben und die Rüstungsausgaben um rd. 3.4 Mrd. – davon anteilig rd. 400.000.- € aus Barmstedt – auf über 50 Mrd. Euro erhöht haben. Im „Stern“ lautet die Überschrift „Kommt Krieg?“ und stündlich kommen aus nahezu allen Medien gleichlautende kriegszündelnde Meldungen. Wir erinnern uns, dass alle US-Kriege der letzten Jahrzehnte medial und oft mit Lügen vorbereitet wurden. Es ist mehr als notwendig, dass auch aus den Kommunen die Stimmen für Frieden, (atomare) Abrüstung und Entspannung lauter werden.

Der Haushaltsplan enthält aus Sicht der BALL eine Reihe positiver Momente:

  • Die BALL begrüßt es, dass Überlegungen zu weiteren Steuererhöhungen sehr schnell verschwunden sind. Insbesondere eine Erhöhung der Grundsteuer B hätte Mieter und Eigenheimbesitzer, die aktuell unter den extremen Heizkostensteigerungen leiden, zusätzlich getroffen. 
  • Ausstattung und Betrieb der Schulen, sozialen und kulturellen Einrichtungen sowie des Breitensports sind abgesichert, der Neubau der Feuerwache und die Digitalisierung der Schulen  mit sozialer Komponente gehen – wenn auch langsam – voran.
  • Die Versorgung mit Kita- und Krippenplätzen wird verbessert, ebenfalls die Schulkinderbetreuung, und Sanierungs- und Erweiterungsbauten in den Betreuungseinrichtungen werden angegangen.
  • Die Arbeitsplätze bei der Stadt, den Stadtwerken und im Seniorenheim sind gesichert.
  • Die BALL unterstützt die erheblichen Investitionen im Norden Barmstedts, und wir erwarten, dass die Detailplanungen im öffentlichen Dialog mit der Bevölkerung erfolgen.
  • Die Sanierung der Schlossinsel für eine kulturelle, nicht-kommerzielle öffentliche Nutzung wird ein Kraftakt für einen langen Zeitraum, den die BALL mitträgt.

Es gibt Hoffnung, dass es in diesem Jahr mit dem Erweiterungsbau an der Grund- u. Gemeinschaftsschule voran geht, und es muss ein neuer Nahversorger in der August-Christen-Straße gefunden werden.

Ein weiterer Schwerpunkt für die BALL wird die Umsetzung verschiedener Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung (Tempo 30), zum Ausbau des Radwegenetzes und zur Energieeinsparung in den öffentlichen Gebäuden sein, und dann müssen große Klimaschutzschritte angegangen werden, so u. a. deutlich mehr Gewinnung regenerativer Energien, erhebliche Energieeinsparungen, Aufforstungen.

  • Die soziale Situation vieler Menschen hat sich erheblich verschlechtert: stark gestiegene Lebensmittelpreise, hohe Mieten, hohe Strompreise, Heizkostensteigerungen von 50 – 70 %, erhebliche Umsatzeinbrüche bei verschiedenen Kleinunternehmen.  Im Haushaltsplan der Stadt taucht die soziale Not in der Stadt allenfalls am Rande auf. Die BALL erwartet, dass niemandem bei Zahlungsproblemen Strom, Heizung oder Wasser abgedreht wird. Die Sozialberatung muss intensiviert werden, damit Menschen ihre sozialen Rechte – insbesondere für die Kinder – in Anspruch nehmen können.
  • Die BALL ist auch mehr als unzufrieden, dass es, abgesehen von einigen Überlegungen, mit dem Bau von Sozialwohnungen nicht erkennbar voran geht.
  • Vor einigen Jahren wurde der Neubau der Stadtbücherei beschlossen. Es ist mehr als peinlich, dass es noch kein Ergebnis gibt, und inzwischen versucht die CDU einen Neubau zu blockieren. Die BALL setzt sich dafür ein, dass in Kürze der Beschluss gefasst wird die Stadtbücherei am Wischhof in der Innenstadt, verbunden mit einigen Wohnungen, zu bauen. Überhaupt nicht akzeptabel ist, dass im Haushalt die Planungskosten mit einem Sperrvermerk versehen wurden.

Der – teils verordnete, teils selbstauferlegte – Sparzwang, dem sich manch andere Fraktion unterwirft, hat für uns nichts mit guter Politik für die Barmstedter Bürgerinnen und Bürger zu tun und kann auch nicht entscheidend zur Verbesserung der Finanzsituation beitragen. Im Gegenteil: Er trägt zum Teil noch zu einer Verschlechterung bei. Die Wörter „Sanierungsstau“ und „Kaputtsparen“ gehören bestimmt nicht zu den schönsten der deutschen Sprache, in Barmstedt kennen wir jedoch leider einige plastische Beispiele für diese Begriffe. Leider wird allzu oft übersehen, dass Kredite von heute eben nicht nur die Schulden von morgen sind. Vielmehr sind sie zum Beispiel auch:

  • Verbesserte soziale – und Bildungschancen
  • Vielfältige kulturelle Angebote
  • Angemessene Ausstattung im öffentlichen Bereich
  • Bessere Infrastruktur, sowohl digital als auch sozial und technisch

Trotz der grundlegenden Haushaltskritik verabschiedet die BALL den Haushalt mit, um die Handlungsfähigkeit der kommunalen Einrichtungen zu erhalten und neue Maßnahmen und Investitionen zu ermöglichen, für die wir – zusammen mit anderen – eingetreten sind.  

Dr. Günter Thiel

BALL-Fraktion